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Wann gibt es Krankengymnastik und wann nicht?

By 10. Februar 2021Juni 1st, 2023Alle Themen, Praxis, Tipps für Patienten

Ein häufiges Anliegen in der Praxis ist die Verordnung von Krankengymnastik (Physiotherapie) oder Massagen. Sehr oft war der Patient bereits vor seinem Praxisbesuch beim Physiotherapeuten und hat dort nach der Behandlung die Empfehlung bekommen, sich ein Rezept für weitere Sitzungen beim Hausarzt zu holen. In den meisten Fällen muss ich diesen Wunsch zur Enttäuschung des Patienten ablehnen, selbst wenn ich die Behandlung grundsätzlich sinnvoll finde und sie bereits zu einer Besserung des Befindens geführt hat.

Warum ist das so?

Auf dem Papier habe ich als Arzt zwar Therapiefreiheit, d. h. ich kann verordnen, was immer meiner Meinung nach hilfreich bei der Genesung ist, diese angebliche Therapiefreiheit wird aber durch ein paar Regelungen durch die Hintertür ausgehebelt. Ein Beispiel dafür ist die beliebte und oft sinnvolle Krankengymnastik, für die es im hausärztlichen Bereich ein begrenztes Budget gibt. Konkret heißt das: Ich könnte Physiotherapie zwar theoretisch jedem verschreiben, der einen Bedarf anmeldet, bin aber durch das Budget in meiner Verordnungsmenge dennoch eingeschränkt. Wenn ich diese Menge überschreite, muss ich meine Entscheidung vor den Kontrollinstanzen rechtfertigen und kann im Falle einer nicht ausreichenden Begründung für die entstandenen Kosten in Regress genommen werden. Und eben hier liegt das Problem: Ausgerechnet für jene Beschwerden, die Patienten am häufigsten zur Physiotherapie ohne vorherigen Arztkontakt veranlassen, nämlich akute oder wiederkehrende Rückenschmerzen, ist eine belastbare Begründung einer Budgetüberschreitung nicht möglich, da die Krankengymnastik in den Leitlinien der Fachgesellschaften nicht als Mittel der Wahl bei unspezifischen, meist muskulär bedingten Rückenproblemen genannt wird. Anders sieht es bei nachgewiesenen strukturellen Schäden wie z. B. Bandscheibendefekten aus; hier ist eine Physiotherapie grundsätzlich verordnungsfähig.

Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, sollten Sie vor der Inanspruchnahme eines Physiotherapeuten daher immer erst klären, ob eine Verordnung in Ihrem Fall zu Lasten der gesetzlichen Krankversicherung überhaupt möglich ist. Zwar ist das Problem selbstverständlich allen Physiotherapeuten bekannt, oft wird aber in der Hektik des Alltags versäumt, die Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass eine Kostenübernahme alles andere als selbstverständlich ist. Gehen Sie also auf Nummer Sicher und fragen Sie bei uns nach, bevor Sie eine Behandlung beginnen, deren Kosten Sie möglicherweise selbst tragen müssen.

So mancher Patient erkundigt sich nach der Ablehnung eines Verordnungswunsches bei seiner Krankenkasse und erhält dort die Auskunft, dass der Arzt selbstverständlich Krankengymnastik verordnen könne, wenn er dies für richtig halte, aber dies ist leider nur die halbe Wahrheit. Durch die genannte Budgetierung ist die theoretisch verbriefte Therapiefreiheit in diesem Fall wertlos und der ganze Vorgang illustriert anschaulich, wie von Seiten der Kostenträger festgelegte Beschränkungen auf Umwegen auf den Schultern der Ärzte abgeladen werden, die dann am Ende als Spielverderber dastehen.

Also: Immer erst zum Arzt, dann zum Physiotherapeuten!